12. September 2016

Doppelte Stammesbürgerschaft

Bald wird angestochen - das erste Fass Oktoberfestbier, und dann ist eines der größten jährlich wiederkehrenden, staatlich tolerierten und  tourismusamtlich heftigst beworbenen Drogen-Festivals, vulgo die Wiesn, in München eröffnet. Die Droge Alkohol fließt dann stündlich hektoliterweise, und wer was auf sich hält, stolziert mit einem neuen Outfit daher.

Der Lokaltermin ist auch für die Vertragsspieler des FC Bayern schon seit langem Pflicht; unbeschadet der kulturellen und nationalen Herkunft wird jeder von ihnen in Trachtenhemd und Lederhose gezwängt, auf dass die Freistaatshymne "Gott mit dir, du Land der Bayern" zwangsintegrativ zumindest im Profifußball eine mindestens zweite Bedeutung erhält.

Doch auch der FC-Bayern-Fan kann, noch dazu wenn er oder sie aus Bayern stammen, die Wahrzeichen der doppelten Stammesbürgerschaft zur Schau stellen. Das erlauben Merchandise-Katalog: hier findet sich alles, aber auch wirklich alles, was der Wiesngänger braucht. Vom Trachtenhemd über Halstuch, Lederhose, Strickjacke, Socken, Samtweste, Softshelljacke, Longsleeve, Poloshirt, Handtasche, Dirndl, Bluse, Leder Lanyard, Filzhut, Faltshopper, Badehshorts, Maßkrug, Bierdeckel, Wiesnschal, Schlüsselanhänger, Lebkuchenherz, Baby-Nuckelkrug und Badeente Trachtenedition gibt es alles, was das Bayern-Wiesn-Herz begehrt, denn auf allem prangt das FC-B-Logo und die Freistaatsraute.

Das gesamte Bayern-Protzprogramm kostet rundum einen schlappen Tausender! Und nachdem die Marketingabteilung diese Sachen nicht einfach mal so produzieren lässt, scheint das wohl auch gekauft zu werden. 1000 Euro!

Und am Ende (der Sauftour) gibt's zur FC-Bayern-Wiesn-Tracht ja vielleicht sogar noch eine Tracht umsonst: Prügel nämlich... Es sollen ja auch Sechzger, Dortmunder, Schalker etc. pp. schon in den Zelten gesehen worden sein...

Lob des Kunstschusses

Dresden - Lotte - Leipzig - Darmstadt - Hoffenheim: fünf Lichtblicke im Profitfußball, die auf bessere Zeiten hoffen lassen!

Wie meinen?

Nun, viel wurde geredet und publiziert und diskutiert und wieder beredet um Taktik, die falsche 9, die doppelte 6, der deutsche Achter (hoppla, falsche Sportart), eine verschobene Raute, eine flache Raute, Dreier- oder Viererketten: man konnte meinen, dass ohne Taktikwissen - oder zumindest dem, was sog. Experten für Taktikwissen ausgaben - könnte man kein Fußballspiel mehr sehen, geschweige denn verstehen.

Nun also das Lob des Kunstschusses: des Einzelgängers, des Einzelnen, der eben nicht bis in die zehnte Minute der Nachspielzeit der taktischen Anweisung des Laptoptrainers folgt, sondern einfach mal draufhaut, sein Glück versucht, das Spiel Fußball spielt, und möglicherweise Erfolg hat oder auch nicht. So wird ein Fußballschuh draus.

Und die Ligen werden wieder spannend. Hoffen wir also auf das anarchische Element - und die Querköpfe im besten Sinne, die ein Fußballspiel, selbst in seiner Profit-Variante, wieder ansehnlich machen.