3. September 2014

Ein echter Wengerspieler


Interessant: Flanken und Kopfbälle zählen für Arsène Wenger gar nicht zum Fußball im engeren Sinne: „We always want to play football but he gives us an option in the air that we don’t have without him“. Die Rede ist von Nicklas Bendtner.

„Walcott war auf der rechten Seite durch“, war auf der Seite Goal.com am Tag nach dem Champions-League-Spiel Arsenals in Barcelona zu lesen, „passte nach innen zu Bendtner, der mit dem ersten Versuch an Valdez scheiterte, im Nachsetzen aber doch noch zum 1:0 traf.“ Hinter dem profanen „Nachsetzen“ verbirgt sich in Wahrheit der ganze Bendtner 2010, die Hoffnung Dänemarks für die WM, einer der vielen Superstars Arsenals, der dem Verein, obwohl erst 22 Jahre alt, bereits seit fünf Jahren dient. Das 1:0, das Arsenal für einige Minuten Hoffnung gab, bis Messi dann mehrfach und auf unwiderstehliche Weise zuschlagen sollte, schießen nur ganz wenige Spieler auf der Welt: Valdez und zwei Verteidiger bedrängen Bendtner, der nach dem nicht schlechten, doch erfolglosen ersten Schuss – schneller hätte das auch ein kleiner Messi nicht hingekriegt – ratzfatz wieder auf den Beinen ist und den Ball mit dem Außenrist ins Netzt spitzelt, drückt, presst. Genau so konnte der Ball nur noch ins Tor gehen, nicht anders, und vor allem keine Viertelsekunde später.

Er schaut dabei stets drein wie ein Oberstufenschüler, der vorgibt, den Wecker nicht gehört zu haben und zehn Minuten nach Unterrichtsbeginn auf seinen Platz ganz hinten im Klassenraum schleicht. Man könnte aus Wengers Äußerung über Nicklas Bendtner, und das passt überhaupt nicht zum Bild des verschlafenen Oberstufenschülers, ein Kopfballungeheuer herauslesen, einen dänischen Hrubesch, hätte Wenger nicht noch hinzugefügt, Bendtner sei „quick, an intelligent boy, a good finisher, […] he can create chances and give the final ball. You can play one-twos with him and he can bring other people in. In der Tat, er ist, seiner Körpergröße zum Trotz, zum echten Wengerspieler geworden, flink im Kopf und auf den Beinen und mit einem exquisiten Spielverständnis ausgestattet; dies stellte er in der abgelaufenen Saison mehrfach und nachhaltig unter Beweis. Nicht zuletzt seinetwegen qualifizierte sich Dänemark überhaupt für die WM in Südafrika.

Bendtner hat auf seine Chance bei Arsenal gewartet, warten müssen. Er hat gewartet und gelernt, von Thierry Henry insbesondere und von Emmanuel Adebayor, mit dem er dem Vernehmen nach (mindestens) einmal kurz vor einer Prügelei stand. Er wurde nach Birmingham ausgeliehen, und dann kam er zurück und nutzte seine Chance, ganz im Sinne seines Lehrmeisters mit dem Hang zum Philosophieren: „Part of success in life is to grab your chance when you get it and that's why you have to always be ready.“ Bendtner war ready. Er ist inzwischen Stammspieler in einem Ensemble, das an Spielfreude und Spielqualität dem des FC Barcelona in keiner Weise nachsteht, das jedoch – jeder, der den Fußball liebt, muss das bedauern – seit fünf Jahren keinen Titel mehr gewonnen hat, was bekanntlich auch Wenger erheblich wurmt und Menschen wie Uli Hoeneß, als es bei den Bayern noch nicht lief, öffentlich fragen ließ, was Arsenal denn schon gewonnen habe in den letzten Jahren. Gewonnen? Arsenal spielt Woche für Woche Fußball, als gäbe es kein Morgen, auf allerhöchstem Niveau und in allerhöchstem Tempo – mehr will der gemeine Fan nicht sehen, die Anhänger des FC Arsenal höflich ausgenommen. Wenn Bendtner allerdings Titel gewinnen will, und Sportler neigen dazu, Titel gewinnen zu wollen, muss er den Verein wohl eines Tages wechseln, denn einen Welt- oder Europameister Dänemark kann man sich dann doch schwer vorstellen; dafür fehlen ein paar Laudrups.
 
G.W.
 
(Erschienen im Sommer 2010 im Tödlichen Pass, aus aktuellem Anlass nun ausgebuddelt)