3. Juli 2013

"Wenig erreicht, aber viel bewegt"

- so überschreibt der Journalist Andreas Behn seinen Artikel (taz v. 2. Juli 2013) über die Proteste rund ums Maracana-Stadion. Stimmt das? Sicher, die Demonstrationen haben zumindest die Regierungschefin auf den Plan gerufen, es wurden sog. Reformen versprochen, sprich: eine Umleitung der Steuergelder hin zu den Ressorts Bildung und Gesundheit. Sie wird sich in Zukunft daran messen lassen müssen; das wird Sache der "Bewegung" in Brasilien selbst sein.

Aber: Ist es denn wirklich eine Bewegung? Ist es nicht vielmehr ein Aufstand gewesen, der ein Sportereignis zum Anlass genommen hat, um eine diffuse Unzufriedenheit mit den Lebensbedingungen der Nicht-Privilegierten zu äußern, also mehr ein Ventil, aus dem der Druck entweichen konnte, der sich angestaut hatte?

Einiges deutet darauf hin, dass diese "Bewegung" keine ist - die disparaten Forderungen, die ungerichtete Gewalt gegen Polizisten und Sachen, das Fehlen jedweder politischer Koordination. Nicht zuletzt die nachlassende Anklage der FIFA-Granden und ihrer profitgeilen Machenschaften.

In Europa ist das ohnehin (noch) nicht angekommen. Europa schottet sich ab, Europa geht es gut. Europa ist stark, nein: es hält sich für stark. "Es" bedeutet: die in Politik und Wirtschaft die Fäden ziehen. Wenn sie sich da mal nicht verrechnen - siehe Jugendarbeitslosigkeit. Aber das scheinen die Oberen in altbekanntem Reflex mit ein bisschen Geldverteilen lösen zu können. Derweil ihnen die jungen Generationen kohortenweise von den Fahnen gehen.

Vielleicht sehen wir ja auch etwas Bewegung in Europa - der Fußball wäre eine gute Bühne dafür: jede Woche gäbe es Gelegenheit, etwas zu bewegen und vielleicht auch etwas zu erreichen.

1. Juli 2013

Ausgespaniert?

Brasilien - Spanien: Endstand 3:0. Das war deutlich. Waren die spanischen Fußballer wirklich so müde, wie schon gegen Italien als Entschuldigung immer wieder vorgebracht? Oder hat es sich - siehe Champions-League - ausgespaniert?

Zugestanden, nach einer langen Saison und Teilnahme an diversen Wettbewerben ist die Fitness jeden Spielers im Keller. Andererseits ermüdet jedes System irgendwann, wenn es lediglich fortgesetzt, aber nicht laufend renoviert wird. Das spanische Tiki-Taka hat mittlerweile ja schon Kopien auf der ganzen Welt gezogen.

Wir dürfen gespannt sein, ob es eine Version 2.0 geben wird - Tiki-Taka reloaded, und mit dem ein oder anderen Versatz- und Kabinettstückchen mehr. Und ob der spanische Fußball damit weiterhin die Nase bzw. die Stollen vorne haben wird.

Oder ob es nicht ein Revival der anderen Art gibt - siehe Neymar: das der Einzelspieler, die auf ihre herausragenden Momente vertrauen können und mit ihnen die Mannschaft, die um sie herum gebaut ist. Das wäre dann back to the 70s - wenn auch mit anderen Mitteln.

Der Inbegriff der Borniertheit

Borniert - bornierter - FIFA? Natürlich war nicht zu erwarten, dass die FIFAmilie irgendeines auch noch so kleines Zugeständnis an ihre Kritiker macht. Wo käme sie denn da hin - und wo käme denn da auch ihr Profit hin. solange sich noch irgendein Land findet, dass klaglos-freudig ohne Forderungen jedweder Art ein WM-Turnier ausrichtet, wären die feinen Fußball-Herren nach kapitaler Logik auch schön blöd, die Kuh, die sie so ertragreich melken, zu einem Kälbchen mutieren zu lassen.

Jüngstes Beispiel dieser Borniertheit findet sich auf ZEITonline; dort wurde der Kommunikationschef der FIFA, Herr Walter de Gregorio interviewt. Die Energie hätte man sich eigentlich schenken können, denn wie zur Bestätigung prallen alle auch noch so klar in ihrer arroganten Ambivalenz vorgebrachten Vorwürfe aalglatt ab. Beispiel:

ZEIT ONLINE: Die Demonstranten regen sich darüber auf, dass ihre Regierung vor der Fifa auf die Knie geht, um eine Fußball-WM auszurichten. Dass sie teure Stadien baut, die die Fifa fordert, obwohl das Geld anderswo gebraucht wird.
de Gregorio: Das sind berechtigte Fragen, die aber nicht wir zu beantworten haben, sondern die Länder, die sich um eine Weltmeisterschaft bemühen. Es ist ja nicht so, dass wir kommen und jemandem unsere Regeln aufzwängen und danach alle überrascht sind. Bei jedem Bieterwettbewerb gibt es klare Vorgaben, was wir verlangen.

Man muss sich das mal zerlegen lassen, was der Herr Kommunikation(!)schef da von sich gibt: Erst gesteht er zu, dass die soziale Schieflage, die anlässlich des WM-Turniers zugespitzt und offenkundig wird, eine solche ist; dann weist er jegliche Verantwortung dafür zurück im Verweis darauf, dass die Länder selbst schuld seien, wenn sie sich den Regeln der FIFA unterwürfen. Schließlich sei es nicht Schuld der FIFA, wenn das, was er als "klare Vorgaben" bezeichnet, in Wirklichkeit aber ausbeuterische und letztlich anti-demokratische Forderungen sind, von Ländern erfüllt werden wolle. Was er dabei unterschlägt: dass das System FIFA diesen Ländern durchaus, nennen wir's mal: bestimmte Impulse geben kann, um sich darauf einzulassen.

Daraus folgt: Will man davon wegkommen, muss es eine ähnliche Regulierungsübereinkunft geben wie bei zockenden Bankern und Steueroasen. Dann erst könnten WM-Turniere mit den Vorgaben des Gastgebers in Einklang gebracht werden. Und die FIFA würde immer noch verdienen - auf jeden Fall aber würde der Fußball gewinnen.

ZEITonline-Interview siehe http://www.zeit.de/sport/2013-06/interview-fifa-degregorio-brasilien